Die Eagles: Beeindruckender Satzgesang und harmonisches Zusammenspiel von Akustik- und E-Gitarren in Berlin

Eagles

Wer die Tüte mit der Aufschrift "Eagles" öffnet, weiß genau was sich darin befindet. Niemand wird überrascht sein, wenn er darin vier Sänger entdeckt, die unaufgeregt, fein aufgereiht und in gebührenden Abstand nebeneinander stehen, die Gitarren lässig umgehängt und mit einem erfrischenden Satz "Seven Bridges Road" intonieren. So konnten es um die 11.000 Zuschauer am Donnerstag Abend, den 23. Juni 2011,auf der Berliner Waldbühne erleben.

Die Adler fliegen wieder, die Hölle ist zugefroren. Seit ihrer Reunion 1994, dem jahrelange Zerwürfnisse vor allem zwischen den beiden Masterminds Don Henley und Glenn Frey vorangingen (Don Henley: "Heute streiten wir nicht mehr. Wir lassen einfach Glenn alles entscheiden.") und fast das Ende der erfolgreichen Westcoast-Combo besiegelte, haben sich die vier Protagonisten wieder zusammengerauft, gehen regelmäßig auf Tour und recyclen ihre Hits der Frühzeit. Dass dann 2007 doch noch ein neues musikalisches Werk das Licht der Welt erblickte, das konnte nun wirklich niemand mehr voraussehen. Die Eagles überraschten alle damit. Dass die neuen Lieder mehr Mainstream waren, sich auch manches Mal musikalisch an den Zeitgeschmack anbiederten, jedoch auch sehr politisch waren, war die andere Sache dabei. "How Long" ist ein Lied davon, das "The Long Road Out of Eden" entnommen wurde und im Konzertabend als Zweites erklingt. Die fröhliche Country-Popnummer geht ins Ohr, so wie man es von der Band gewöhnt ist. Auch das Publikum läßt sich schnell von der Lockerheit der Melodie anstecken. Doch schon danach wandte sich die Band mit "Take It To The Limit" wieder einer großen Nummer aus frühen Tagen zu. Bloß nichts anbrennen lassen! Als dann Les Lovitt lässig zu seiner Trompete greift und ein kleines Solo anspielt, schwappt die Stimmung schnell hoch, denn das markiert nichts anderes, als den Einspieler zum Über-Hit der Eagles schlechthin: "Hotel California". Auf der Videoleinwand wachsen Palmen aus dem Bühnenhintergrund, während Don Henley über Drogen und Exzesse singt. Die Minuten ziehen sich und die Zuhörer lauschen begeistert, schwelgen in Erinnerungen. Einige singen mit.

Glenn Frey und Don Henley; Foto: Andreas Weihs

Experimente gibt es bei den Eagles nicht mehr, hat es wohl auch noch nie wirklich gegeben. Und so folgt sofort mit "Peaceful Easy Feeling" ein weiterer Country-Song. Ein Frühwerk der Band, aus einer Zeit, von der viele meinen, sie sei ohnehin die beste und kreativste Phase gewesen. Später hätten die Musiker nur noch aus ihrem eigenen Brunnen geschöpft, sich bedient in ihrer eigenen Vergangenheit. Und Glenn Frey, zuständig für den lockeren Country-Sound in der Band, singt über ein Gefühl, das sich ganz von allein einstellt, wenn man nur zuhört. Das kalifornische!

Das was die Eagles schon immer ausmachte, ist der harmonische Satzgesang der vier Sänger, und die Arbeitsteilung nach strengen Regeln. Die Eagles waren schon immer Perfektionisten, kaum etwas entglitt jemals ihrer ordnenden Hand. So wird auch an diesem Konzertabend eisern Regie geführt. Henley und Frey teilen sich die Songs und die Bühne, was "übrig" bleibt, geht an "Linksaußen" Schmit und "Rechtsaußen" Walsh. Diese Beiden sind gänzlich unterschiedliche musikalische Charaktere, müssen oftmals buchstäblich an der Seite und im "Schatten" von Henley und Frey stehen, bekommen aber ebenso ihre Minuten im Scheinwerferlicht. (Walsh sogar ausnehmend viele!) Während Timothy B. Schmit der "Schmusebarde" ist, der mit einschmeichelnden Balladen ("I Can't Tell You Why") seine Fans findet, ist Joe Walsh der ungestüme Rocker, der seine Gitarren aufheulen läßt und mit kratziger Stimme losrockt. Walsh ist der einzige der vier Musiker, der gelegentlich mal ausbricht aus dem Schema der absoluten Ruhe, Grimassen schneidet und seine Gitarre kraftvoll bearbeitet. Seine Lieder sind ungestüm, rau, eben Rock 'n' Roll. Deshalb kommt er auch erst zum Zug, als die anderen sich bereits musikalisch vorgestellt haben. Sein "Walk Away" hallt durch die Waldbühne und hinterläßt begeisterte Zuhörer. Während Henley, Frey und Schmitt sich in relaxten, abgeklärten Posen üben, die in jeder Hinsicht nur Ruhe und Gelassenheit ausstrahlen, macht Walsh einen auf "Rockstar".

Eagles; Foto: Andreas Weihs

Understatement (oder einfach nur Kostenoptimierung?) auch beim Blick auf die Bühne, die sehr spartanisch ausgestattet wirkt. Nur das notwendigste an Licht, kein ausgefeiltes Bühnenbild. Da stehen Monitore herum, damit sich die Sänger gut hören können, ein paar wenige Kabel. Im Bühnenhintergrund eine Projektionsfläche für Bilder und Licht, rechts und links der Bühne in gehörigem Abstand jeweils eine Videowand. Alles in allem sehr "aufgeräumt". Eben Eagles! Die "Dinosaurier", die so an die vierzig Jahre im Musikzirkus umher streunen, lassen ihre Musik wirken. Nichts soll ablenken. Keine Showeinlagen, nur kurze Ansagen. Obwohl Glenn Frey - als Master of Ceremony, wie ihn Schmit betitelt - versucht, einige Witzchen einzustreuen, lockert das nicht wirklich auf und man merkt, das ihm so etwas nur bedingt liegt. Das Singen ist da schon eher seine Sache.

Nachdem die "Country-Ecke" abgearbeitet ist, wird es rockiger. Mit "Long Road Out of Eden" kommen die Eagles in die harte Realität der Gegenwart zurück. Don Henley sagte einmal: "Wir konnten nicht ewig mit den alten Sachen touren, wir mußten dieses Album machen, auch wenn es keiner gemocht hätte." In der Tat aber sind die Lieder des 2007er Albums zorniger und politischer als alles, was die Band vorher machte. Vielleicht ein Resultat ihrer Reife. Mit dem Album wollen die in die Jahre gekommenen Musiker zeigen, das sie die Ideale ihrer Jugend noch nicht verloren haben. Als Don Henley den Titelsong singt, flimmern düstere Bilder über die Leinwand hinter ihm, von Tod, Verwüstung, Soldaten marschieren. Kein Wunder, dass der Song im damaligen Bush-Amerika vom Radio boykottiert wurde.

Joe Walsh; Foto: Andreas Weihs

Um wieviel leichter kommt "Boys of Summer" daher. Gefolgt von Walsh's "In The City" - passenderweise mit Großstadtbildern hinterlegt. Auf seiner Glitzer-Gitarre pickt das "Knautschgesicht in knallroter Jacke und blonder Mähne" die Saiten hart an, und die vierköpfige Bläsergruppe macht "Beautiful Noise". Gleich danach ist Henley noch einmal dran mit "The Long Run", was zu einem Stimmungshoch im Publikum führt. Bis in die hinteren Reihen stehen sie und klatschen rhythmisch mit. Gleiches wird wenig später bei "Dirty Laundry" ebenso zu erleben sein. Ein knallharter, straighter Beat durchzieht diesen Hit, dem kann man sich einfach nicht entziehen. Folgerichtig gibt es im Mittelteil "Gitarristen-Kuscheln": Fünf Gitarren rocken nebeneinander. Das anschließende "Funk 49" von Joe Walsh ist eher ein untypischer Tupfer im Programm, mit harten funkigen Klängen, tollen Bläsern. Man arbeitet sich schon zum Höhepunkt des Abends vor, der nach "Heartache Tonight" und "Life In The fast Lane" schnell erreicht ist. Nach zwei Stunden geht das Licht auf der Bühne erst einmal aus. Die Eagles "fliegen" davon, ohne ein Wort. Aber natürlich kehren sie zurück. Noch einmal. Mit "Take It Easy", "Rocky Mountain Way" und selbstverständlich "Desperado" geben sie noch einmal an diesem Abend das große Gefühl von Freiheit, von der Weite des Westens und eine Prise Countrymusic an das Publikum weiter.

Leider schlägt das aktuelle Tourprogramm der kalifornischen Band musikalisch weit mehr in Richtung Rock aus, als es sich vielleicht der eine oder andere Fan gewünscht hätte. Auch wenn einige große Lieder, wie z.B. "New Kid In Town" im Konzertprogramm fehlten, wurden die Zuhörer mit ausgiebigem (immer noch) beeindruckendem Satzgesang, einem harmonischen Zusammenspiel von Akustik- und E-Gitarren, jede Menge Hits zwischen Country, Pop und Rock, sowie einem brillanten Sound bestens bedient. Über eines kann man sich sicher sein: Da wo Eagles draufsteht, sind auch Eagles drin! Und so wird es immer bleiben!

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