Lucinda Williams - The Ghosts of Highway 20

CD Cover: Lucinda Williams - The Ghosts of Highway 20

Mit "The Ghosts of Highway 20" legt Lucinda Williams ein düsteres und verhaltenes Studio-Album vor.

Ein Album wie ein Roadtrip: "The Ghosts of Highway 20", das zwölfte Werk der dreifach mit einem Grammy bedachten Lucinda Williams. Laut Plattenfirma basieren die Songs des Konzeptalbums auf Erlebnissen während ihrer Reisen auf der über 2.400 Kilometer langen amerikanischen Interstate. Das asphaltierte Band führt durch die Bundesstaaten Alabama, Georgia, Louisiana, Mississippi, Texas und South Carolina - also quer durch die Südstaaten. Mit allen Zutaten. Mit schönen und weniger schönen Erfahrungen, mit gruseligen Begegnungen und heiteren Erlebnissen. Schwarz, weiß, gut, böse, reich, arm. Alles da, die gesamte Bandbreite der amerikanischen Existenz.

Das Konzeptalbum The Ghosts of Highway 20

Ein Konzeptalbum in Doppel-CD-Format mutet im heutigen Kulturbetrieb schon fast als Anachronismus an. wird das wenig kümmern. Die Tochter des Dichters und Literaturprofessors Miller Williams ist für ihre unkonventionelle Haltung seit ihrem 1979 erschienenen Debüt "Ramblin’" berühmt - und spätestens seit ihrem hochgelobten Meilenstein-Album "Car Wheels On A Gravel Road" aus dem Jahre 1998 genauso berüchtigt wie erfolgreich. Mit dem sich erneut ganz um Highways, Trostlosigkeit, dem Suchen und Finden drehenden Album "The Ghosts of Highway 20" kreuzt der unkonventionelle Star erneut gegen den Mainstream-Wind. Zur Seite stehen ihr kongeniale Partner: Pedal Steel- und Dobro-Ass Greg Leisz sowie die Jazz- und Soundtrack-Ikone Bill Frisell.

Dass mit Wegbegleitern diesen Kalibers mitunter sperrige Kost zu erwarten ist, versteht sich von selbst. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass Lucinda Williams ihre Alben mittlerweile auf ihrem eigenen Label herausbringt. Sie ist die Chefin. Sie ist Künstlerin und A&R gleichzeitig, sie entscheidet. Dass ihr Charts-Perspektiven und Airplay-Potential reichlich egal sein dürften, macht schon mal der Opener "Dust" klar - ein wuchtiger, kantiger Country- und Americana-Track, der in manchen Harmoniereihen an eine düstere Version von "If I Where A Carpenter" erinnert.

Die Songs auf The Ghosts of Highway 20

Im Vergleich zu den weiteren 13 Titeln auf "The Ghosts of Highway 20" - darunter auch eine Cover-Version des Springsteen-Songs "Factory" - nimmt sich der über sechsminütige Opener noch fast eingängig aus. Das ruhige, langsame, sparsam arrangierte "I Know All About" erinnert beispielsweise mit unheilvollen Harmonien und Sprechgesang an einen Tarantino-Soundtrack, das mit sphärischem Gitarren-Intro eingeläutete, auf’s Spärlichste reduzierte "Death Came" klingt genauso düster wie es der Songtitel vermuten lässt und selbst das optimistisch anmutende "Place In My Heart" mag keine unbeschwerte Euphorie verbreiten. Neben den größtenteils in Moll gefärbten Harmonien liegt das auch im knarzig-rauen, extrem schnoddrigen Gesang von Lucinda Williams. Gäbe es den Titel "Weiblicher Bob Dylan" zu verleihen - sie wäre dafür erste Anwärterin.

Anstatt zu Dylan knüpft die schlaue Songwriterin einen Faden zu einer anderen Folk-Legende: zu Woody Guthrie. Als kürzlich ein bislang unentdecktes Gedicht der Protestsänger-Ikone entdeckt wurde, musste Williams nicht lange überlegen - sie vertonte die Lyrik zu dem gemäßigten Country-Folk-Rocker "House of Earth", zweifellos ein Glanzlicht der 1. CD von "The Ghosts of Highway 20".

Die zweite CD des opulenten Roadtrips von "The Ghosts of Highway 20" läutet der Titeltrack ein: ein akustischer Diavortrag, bei dem sie zu spröden Americana-Klängen noch spröder über staubige Straßen, Trucks, verfallene Tankstellen, Hinterhöfe, Parkplätze und die Monotonie der Highway rezitiert. Nach so viel Tristesse tut ein Song wie das leidlich temperamentvolle "Bitter Memory" richtig gut. Der ganz im Roots-Gewand gehaltene Titel bietet straighten, relativ flotten Country und eine launige Backingband, die bei jedem Ton genau weiß, was sie tut.

Dass Lucinda Williams in der Lage ist, mehrheitsfähige Harmonien und Texte zu erfinden - sie hat das in ihrer Karriere vielmals bewiesen - deutet sie bei "The Ghosts of Highway 20" nur selten, nur ansatzmäßig an. Bei dem eingängigen "Close The Door On Love" etwa. Die fröhlichsten und unbeschwertesten Momente erlebt der Track allerdings, als Lucinda Williams Pause macht und Gitarrist Bill Frisell ein prächtiges E-Gitarren-Solo aus dem Ärmel zaubert.

Fazit: Sperrig, düster, verhalten - Lucinda Williams verlangt ihren Hörern mit der Doppel-CD "The Ghosts of Highway 20" einiges ab. Wer sich aber auf die ruhigen, nicht selten an einen Soundtrack erinnernden Songs einlässt, wird mit Momenten von subtiler Schönheit belohnt. Textlich ist sie - wie immer - das Maß der Dinge.

Label: Highway 20 / Thirty Tigers (Alive) VÖ: 22. Januar 2016
01 Dust
02 House of Earth
03 I Know All About It
04 Place In My Heart
05 Death Came
06 Doors of Heaven
07 Louisiana Story
08 The Ghosts of Highway 20
09 Bitter Memory
10 Factory
11 Close the Door on Love
12 If My Love Could Kill
13 If There's A Heaven
14 Faith & Grace
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