Ray Wylie Hubbard - Ruffian's Misfortune

CD Cover: Ray Wylie Hubbard - Ruffian's Misfortune

Mit 68 Jahren lassen es die meisten Menschen etwas ruhiger angehen und versuchen, sich einen beschaulichen Lebensabend zu bereiten. Nicht so Americana-Veteran Ray Wylie Hubbard. Dem Vollblutmusiker, dessen Stil schon seit fast 50 Jahren so recht in keine Schublade passen will, juckt es in den Fingern wie eh und je. Drei Jahre nach seinem gefeierten letzten Studio-Album "The Grifter's Hymnal" sorgt der in Texas ansässige Künstler nun mit "The Ruffian's Misfortune" für ein Folgewerk, das er selbst als eine stilistische Fortsetzung des Vorgängers sieht. Dreckig, ungehobelt, laut - aber gleichzeitig auch anspruchsvoll, herausfordernd, stellenweise brillant. All das bringt Hubbard auf seinem 16. Album mal wieder unter einen Hut, um die Pointe gleich vorweg zu nehmen.

Der Opener "All Lose Things" ist gleich so ein Beispiel. Von der gnadenlos schrammelnden Gitarre bis hin zu Hubbards knurrigem Gesang klingt der Song einfach nur herrlich düster und gefährlich. Bräuchte die US-Fernsehserie "Sons of Anarchie" noch einen Soundtrack, würde es wohl kaum einen passenderen Kandidaten geben. Ähnliches trifft auch auf "Hey Mama, My Time Ain't Long" zu. Mit Bestimmtheit kann man gar nicht ausmachen, welche Zutaten Hubbard hier ins Feuer wirft. Blues ist dabei, ungeschliffener Gitarrenrock sowieso - und natürlich auch eine gewisse Eigennote, die auf gängige Konventionen so wenig gibt wie der Vegetarier auf den Besuch im Steakhouse.

Nach so einem furiosen Auftakt ist man fast schon geschockt, wenn die ersten Töne von "Too Young Ripe, Too Young Rotten" erklingen. Fragil und sanft gibt sich der Song, der besonders durch den famosen Einsatz einer Fiddle ein ganz besonderes Ambiente erzeugt, das irgendwo zwischen Bluegrass und Folk anzusiedeln ist. Auch dieser Anzug passt Hubbard wie eine zweite Haut. Doch schnell stöpselt er die Sechssaitige wieder ein, und haut mit "Chick Singer, Badass Rockin'" einen echten Hammer raus. In der stampfenden Nummer zelebriert der grauhaarige Troubadour all seine weiblichen Heldinnen (wie etwa Joan Jett), die sich vollkommen dem Rock'n'Roll verschrieben haben. Auch einen Seitenhieb in Richtung Nashville kann sich Hubbard nicht verkneifen, und beschreibt die Metropole (oder wahrscheinlich eher das, wofür sie steht) als "pissant". Zu Deutsch: lächerlich. Nun ja.

Fest steht zweifelsohne, dass der Rebell mit seinem kompromisslosen Stil in der Music City komplett fehl am Platz wäre. Das beweist er auch mit dem groovigen "Bad on Fords", das mit seinem ausgedehnten Gitarrensolo förmlich nach einem endlosen Highway und einer Harley schreit. Wer mehr davon möchte, bekommt mit "Down by the River" noch einmal kräftigen Nachschlag. Das soll es dann mit den wilden Nummern aber auch gewesen sein, denn Hubbard kann ja bekanntlich auch anders.

"Mr. Musselwhite's Blues" ist beispielsweise, wie der Name schon sagt, ein bluesiger Reißer mit einer vorzüglichen Mundharmonika. Stellenweise könnte man glauben, dass "Mr. Dire Straits" Mark Knopfler plötzlich das Mikro übernommen hat, so herrlich nölt Hubbard die Textzeilen. "Jessie Mae" groovt auch vergleichsweise verhalten vor sich hin, und besticht dabei vor allem durch den erneuten Einsatz der Fiddle. Das gefällige "Barefoot in Heaven" zeichnet sich hingegen durch verspielte Gitarrenlicks und eine Gesangsleistung aus, bei der Hubbards ohnehin schon raue Stimme so klingt, als habe er vor der Aufnahme noch einmal eine Stange Kippen inhaliert. Und getreu dem Motto "Das Beste kommt zum Schluss" tischt der Routinier zum Abschluss mit "Stone Blind Horses" eine mit Melodie durchtränkte Ballade auf, die das emotionale Highlight des Albums darstellt. Chapeau.

Fazit: Das musikalische Feuer im Herzen von Ray Wylie Hubbard brennt trotz fortgeschrittenen Alters noch immer lichterloh. Mit "The Ruffian’s Misfortune" präsentiert er ein komplexes und abwechslungsreiches Album, das von krachend bis sanft so Einiges zu bieten hat.

Label: Bordello (hier nicht veröffentlicht) VÖ: 7. April 2015

  • Titelliste

01 All Loose Things 06 Mr. Musselwhite's Blues
02 Hey Mama, My Time Ain't Long 07 Down by the River
03 Too Young Ripe, Too Young Rotten 08 Jessie Mae
04 Chick Singer, Badass Rockin' 09 Barefoot in Heaven
05 Bad on Fords 10 Stone Blind Horses

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