Shelby Lynne - Revelation Road

Würde man die 11 Stücke der nur 39 Minuten langen CD mit einem Sticker versehen wollen, würde sich dafür ein Schriftzug wie "This CD contains 100 % Shelby Lynne" aufdrängen. Und das wäre alles andere als gelogen, denn Lynne hat für ihr neues Werk wirklich alles selbst gemacht. Nicht nur, dass sie jeden Song geschrieben, eingesungen und produziert hat; sie spielt auch noch jedes der zu hörenden Instrumente. Doch im Gegensatz zu Jungstar Hunter Hayes, der kürzlich eine ähnliche Glanzleistung für sein gleichnamiges Debüt vollbrachte, ist die Zielgruppe eine völlig andere.

Schon der Titeltrack zum Auftakt zeigt, dass Lynne sich jegliche musikalische Freiheit gegönnt hat. So mixt sie beim Stück über religiöse Leidenschaft Country, Blues und Soul - und liegt mit dem Ergebnis so weit entfernt von den Country-Charts, wie es nur möglich ist. In der Folge pendelt sich die Musik zwischen Bluegrass, Folk, Gospel und einer kaum wahrnehmbaren Dosis an Rock - sieht man mal von der kraftvollen Ausnahme bei "Wobegone" ab - ein. Ansonsten nämlich setzt Lynne primär auf ihre akustische Gitarre und auf ihre besondere und äußerst ausdrucksstarke Stimme. Mit der gelingt es, den Songs überwiegend einen melancholischen Touch verleihen. Die Songs, bei denen Lynne am gebrechlichsten klingt, schaffen es, den Konsumenten, der sich die nötige Zeit dafür nimmt, für sich zu gewinnen. Als Beispiel dafür sind "Lead Me Love" (hier klingt sie teilweise wie ihre Schwester Allison Moorer) oder die an Bobbie Gentry erinnernde Ballade "I Won't Leave you" zu nennen.

Lynne schreibt im Booklett, dass sie diese Songs zurück in ihre Kindheit in Alabama führen. Klar, dass einem da sofort ihre Vita in den Sinn kommt, als sie 1986 zusammen mit ihrer jüngeren Schwester Zeugin wurde, wie ihr alkoholkranker Vater ihre Mutter ermordete und sich anschließend selbst das Leben nahm. Der Song "Heaven's Only Days Down The Road" befasst sich ganz direkt mit den Geschehnissen. Doch wer hier eine Anklage erwartet, liegt falsch. So wird das Lied aus der Sicht des Vaters erzählt - ohne Zweifel eine couragierte und fesselnde Idee von Lynne, die obendrein von einer enormen Portion an Einführungsvermögen zeugt..

Fazit: An diesem Album werden sich die Geister scheiden. Für die einen dürfte es das vielleicht beste Werk der eigenwilligen Künstlerin sein, für Fans des charttauglichen Country entpuppt sich das Ganze eher als Zeitverschwendung.