Normalerweise fallen Countryalben von, sagen wir, artfremden Künstlern, meist nur wenig erfreulich aus. Meist wird, im eifrigen Bemühen es besonders echt, betont authentisch klingen zu lassen, viel zu dick die Countrysoße über die Songs gekübelt. Nicht selten endet der Ausflug ins Countryfach ziemlich peinlich. Diese Angst muss man bei einem musikalischen Schwergewicht wie dem 1945 in Belfast geborenen Sohn eines Dockarbeiters nicht haben. Zumal Van Morrison mit seiner unnachahmlichen, leidenschaftlichen Art seit Jahrzehnten auch schon die amerikanische Blues-Gemeinde überzeugt hat. Und Blues und Country sind, das wird oft nur vergessen, gar nicht einmal so weit auseinander. Man erinnere sich nur an das geglückte Projekt "Rhythm Country & Blues" von 1994. So nebenbei bemerkt ...
Als waschechter Bluesman bringt der seit Mitte der 60er Jahre Tonträger produzierende Morrison natürlich die Grundvoraussetzung für ein gutes Countryalbum mit: Emotionen, die Fähigkeit zu leiden, die Stimme um zu berühren. Wer das bezweifelt, braucht nur ein paar Takte in den von Webb Pierce geschriebenen Oldtimer und Opener "There Stands The Glass" lauschen. Country pur. Naturbelassen. Mit Echtheitszertifikat. Freilich ist das nicht Country der modernen Gangart, mit geschliffenen Sounds, rockigen Gitarren-Riffs und wummernden Drums, sondern angestaubter, verknitterter Country & Western. Musik, zu der man Gary Cooper auf seinem Gaul zum Duell reiten sieht und Fury, Lassie und Bonanza die Schwarz-Weiß-Fernseher eroberten - schönste Nostalgie!
Das gilt für die komplette CD. Für seine Eigenkompositionen wie "This Has Got To Stop", "Playhouse" und den Titeltrack genauso wie für die vielen Raritäten und Klassiker aus der Country-Klamottenkiste. "Your Cheatin' Heart" von Hank Williams, die im Original von Conway Twitty gestellte Grundsatzfrage "What Am I Living For?" und die üblicherweise von Emmylou Harris gegebene Antwort "Till I Gain Control Again". Hervorragend und absolut mit glaubwürdiger Resignation trägt Morrison aber auch "Things Have Gone To Pieces" vor. Kein Wunder, er und George Jones könnten durchaus Brüder im Geiste sein. Mit Glen Campbell würde man den bulligen Sänger nicht auf Anhieb in Verbindung bringen. Dennoch wandelt er stilsicher in dessen Fußspuren bei "Once A Day". Eine bemerkenswerte Leistung gelingt ihm auch bei "Half As Much": Mit seiner Interpretation entlockt er dem Song neben den klassischen und bekannten Versionen von Hank Williams und Patsy Cline sogar eine neue Geschmacksnote.
Fazit: Van Morrison schafft mit "Pay The Devil" auch deshalb eine gelungene Country-CD, weil er nicht auf Teufel komm raus auf Cash, Jones, Nelson & Co. macht. Im Gegenteil. Er bleibt im Wesentlichen seinem Blues- und Rhythm & Blues-getränkten Vortragsstil treu; lässt sich dabei aber, wie es scheint, mit Haut und Haar auf das traditionelle Songmaterial ein. Die akustischen Arrangements mit klimpernden Honky-Tonk-Pianos, Pedal-Steel-Guitars und Fiddln runden seinen nostalgisch angehauchten Trip in den Mittleren Westen Amerikas perfekt ab. Von wegen Karneval ...
Label: Lost Highway / Polydor (Universal) | VÖ: 3. März 2006 |
01 | There Stands The Glass |
02 | Half as Much |
03 | Things Have Gone To Pieces |
04 | Big Blue Diamonds |
05 | Playhouse |
06 | Your Cheatin Heart |
07 | My Bucket's Got A Hole In It |
08 | Back Street Affair |
09 | Pay The Devil |
10 | What Am I Living For |
11 | This Has Got To Stop |
12 | Once A Day |
13 | More And More |
14 | Till I Gain Control Again |